Komponieren im Kopf

Zwischen innerem Kino und musikalischer Weltreise – Bernd Franke über das Komponieren und seine neue Oper »Coming Up for Air«
Nele Winter | Dienstag 17.06.2025
Bernd Franke
Bernd Franke | © gingerlens.by marioradosin
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Komponist aus?

Das variiert stark und hängt davon ab, ob ich weitere berufliche Verpflichtungen habe. Da ich auch an der Universität Leipzig lehre, orientiere ich mich an den Semesterzeiten. Zusätzlich beeinflussen Aufführungen, Proben und Reisen meinen Alltag. Insgesamt arbeite ich also sehr flexibel, aber auch sehr intensiv, strukturiert und konzentriert.

Wann ist Ihre Lieblingszeit zum Komponieren? Sind Sie ein Morgenmensch?

Ich würde freiwillig nie früh aufstehen. Am liebsten arbeite ich abends zwischen 20 und 23 Uhr. In dieser Zeit kann ich mich am besten konzentrieren – die Dunkelheit und Stille erzeugen eine fast mystische Stimmung.

Ich lasse mir in dieser hektischen Welt bewusst viel Zeit

Haben Sie einen Tipp, wie man die Angst vor dem leeren Blatt überwindet?

Meine Strategie ist vielleicht etwas anachronistisch: Ich lasse mir in dieser hektischen Welt bewusst viel Zeit. Erst wenn ich die Musik innerlich klar höre, schreibe ich sie nieder – das passiert dann oft sehr schnell. Wenn Deadlines drängen, muss ich natürlich schneller arbeiten.

Ihre Kompositionen entstehen also vollständig in Ihrem Kopf? Das heißt, Sie sitzen beim Komponieren nicht etwa am Klavier?

Genau, ich bin kein Klavierkomponist. Ich habe eine Art Kopf-Ohr-Kino entwickelt und höre die Musik innerlich – manche Stellen hunderte Male – und erst wenn ich wirklich sicher bin, notiere ich alles.

Was machen Sie währenddessen? Sitzen Sie am Schreibtisch oder gehen Sie Spazieren?

Ich sitze entspannt im Sessel und lege die Beine hoch. Manchmal habe ich mich auch schon auf eine Yogamatte gelegt. Am Schreibtisch wäre es mir zu unbequem. Den nutze ich nur zum Notieren.

Wie schreiben Sie die Musik auf? Per Hand oder am Computer?

Das mache ich per Hand mit Bleistift und Radiergummi – in dieser Hinsicht bin ich relativ altmodisch. Das erleichtert mir die Arbeit, vor allem weil ich häufig mit Aleatorik arbeite. Glücklicherweise unterstützt mich dabei der Peters Musikverlag zusammen mit einem Stimmschreiber.

Wenn Sie eine Oper schreiben, arbeiten Sie dann eng mit dem Librettisten oder einer Librettistin zusammen?

Bisher habe ich erst zwei Opern geschrieben. Bei »Coming Up for Air«, meiner nun dritten Oper, war die Zusammenarbeit mit Jessica Walker sehr angenehm. Wir haben uns vor drei  Jahren das erste Mal persönlich in Leipzig getroffen und standen während ihrer Arbeit am Libretto die ganze Zeit intensiv im Austausch. Ich hatte nur wenig Änderungswünsche. Sie ist eine geniale Librettistin. Jessicas Vater war übrigens ein berühmter Lyriker in England, der zum Beispiel für die legendäre Rockgruppe »Cream« Songtexte geschrieben hat.

Was hat Sie an dem Stoff fasziniert?

Die Tatsache, dass zwei der drei Handlungsstränge auf wahren Begebenheiten beruhen, hat mich berührt. Einige dieser dramatischen Ereignisse in der Oper habe ich in den letzten Jahren selbst im Bekannten- und Kollegenkreis erlebt. Daher war mir die Handlung des Buches auch menschlich sehr nah.

Hat Sie das Komponieren emotional herausgefordert?

Ja, sehr. Gerade weil die Themen existenziell sind. Sie sind unmittelbar und real, kein Mythos oder Shakespeare-Drama. Es geht um Dinge, die mich selbst bewegen und deshalb hat mich die künstlerische Auseinandersetzung emotional extrem berührt.

Was sind Ihre Lieblingsopern anderer Komponisten?

Meine Favoriten wechseln, aber ich schätze »Lulu« und »Wozzeck« von Alban Berg, ebenso Puccinis »La Bohème« und »Turandot«. Mozarts »Don Giovanni« und Werke von Monteverdi faszinieren mich auch sehr.

Hören Sie privat eigentlich auch Musik?

Wenn ich tatsächlich einmal nicht komponiere – was äußerst selten vorkommt –, höre ich gerne Jazz, besonders von Michael Wollny, dem berühmten deutschen Jazzpianisten, für den ich sogar ein Klavierkonzert schreiben durfte. Durch meine Studierenden entdecke ich regelmäßig Musik aus unterschiedlichsten Kulturen und Genres, was ich sehr schätze. Auch auf meinen Reisen tauche ich gern in andere Musikkulturen ein, etwa aus Indien, Japan, Taiwan oder arabischen Ländern, wie bei einem gemeinsamen Projekt mit dem syrischen in Leipzig lebenden Dichter Adel Karacholi.

Die Figuren im Stück sind alle liebgewonnene Bekannte und teilweise sogar Freunde geworden.

»Coming Up for Air« spielt in drei verschiedenen Ländern zu drei verschiedenen Zeiten. Spiegelt sich das musikalisch wieder?

Genau, das Stück spielt im Paris des 19. Jahrhunderts, im Norwegen der 1950er Jahre und im zeitgenössischen Kanada. Jede dieser Welten hat eine ganz eigene Klangfarbe. Die kanadische Atmosphäre rund um die Figur Anouk ist zum Teil von der Musikerin Björk inspiriert. Die norwegische Klangwelt hingegen ist jazzig und eher dunkel. Jede Hauptfigur hat ihr eigenes Solo-Instrument: Anouk die Bassklarinette, L’inconnue ein Solo-Cello und der Norweger Peter eine Trompete, wozu mich die vielen großartigen norwegischen Jazz-Trompeter inspirierten. Außerdem arbeite ich mit musikalischen Zitaten und Referenzen aus den verschiedenen Kulturen. So integriere ich beispielsweise ein altes norwegisches Lied, das das Leben metaphorisch als Segelreise beschreibt und zitiere einen berühmten mittelalterlichen Krebskanon von Guillaume de Machaut mit dem Titel »Mein Ende ist mein Anfang«.

Sie komponieren gerade die letzten Takte der Oper. Fällt Ihnen der Abschluss schwer?

Ja, ich werde es sehr vermissen und möchte eigentlich gar nicht aufhören. Die Figuren im Stück sind alle liebgewonnene Bekannte und teilweise sogar Freunde geworden.

    • Bernd Franke
    • Premiere

    Coming Up for Air

    Oper Sa. 14.03.2026 | 19:00 | Opernhaus

    Uraufführung

    Einführung 30 Min. vor Vorstellungsbeginn im Konzertfoyer

    • Bernd Franke

    Coming Up for Air

    Oper So. 22.03.2026 | 17:00 | Opernhaus

    Uraufführung

    Einführung 30 Min. vor Vorstellungsbeginn im Konzertfoyer

    • Bernd Franke

    Coming Up for Air

    Oper Fr. 27.03.2026 | 19:30 | Opernhaus

    Uraufführung

    Einführung 30 Min. vor Vorstellungsbeginn im Konzertfoyer

    • Bernd Franke

    Coming Up for Air

    Oper Sa. 04.04.2026 | 19:00 | Opernhaus

    Uraufführung

    Einführung 30 Min. vor Vorstellungsbeginn im Konzertfoyer

    • Bernd Franke

    Coming Up for Air

    Oper So. 19.04.2026 | 17:00 | Opernhaus

    Uraufführung

    Einführung 30 Min. vor Vorstellungsbeginn im Konzertfoyer