Credo

Glauben und Zweifel in »Otello«
DR. BARBARA BABIĆ | Dienstag 10.01.2023

Der Ausdruck »io credo«, also »Ich glaube«, kommt in zentralen Momenten dieser Handlung vor und erlaubt uns eigentlich einen Einblick ins Innere der drei Hauptfiguren: Jago, Desdemona und Otello. Einerseits haben wir das bekannte »Credo« von Jago im zweiten Akt, das Glaubensbekenntnis des Bösen. Verdi wollte für diese Szene ein gebrochenes, weniger lyrisches Metrum haben , weshalb Boito ihm hier ein eher lästerlich klingendes »Credo« vorgeschlagen hat, mit zerissenen und unsymmetrischen Versen. In dieser monologischen Szene erklärt Jago zynisch seine Natur: »Ich glaube an einen grausamen Gott, der mich in seinem Ebenbild geschaffen hat ... «. Ein näherer Blick auf den Text verrät, dass viele Begriffe aus einem Gedicht von Boito stammen, in dem er tatsächlich diese Frage der zwiegespaltenen Natur des Menschen zwischen gut und böse thematisiert. Es geht um Boitos Gedicht »Dualismo« (1863), das als Manifest der »Scapigliatura« gilt. Diese »Scapigliati«, wörtlich »Die Ungekämmten«, waren eine Bewegung progressiver Schriftsteller und Künstler, die insbesondere in Mailand ab den 1860er Jahren tätig waren.

»Credo« von Jago hat so auch einen programmatischen Charakter und reflektiert eine direkte Verbindung zu Boitos intellektuellem Umfeld. Im Gegensatz zu diesem profanen »Credo« finden im letzten Akt wir das religiöse »Credo« von Desdemona. Die Arie beginnt mit einem »Ave Maria«, entwickelt sich dann aber durch eine Art Paraphrase in ein sehr persönliches Gebet. Boito und Verdi beenden diese Szene mit einem äußerst intimen Effekt, wo Desdemona stumm für sich selbst betet. Das Orchester spielt weiter und wir hören nur noch Bruchstücke des eigentlichen Texts, nur das »Ave Maria« und die Worte »in der Stunde unseres Todes«: eine schreckliche Vorahnung ihres Schicksal. Zwischen den Figuren Jago und Desdemona finden wir schließlich Otello, der auch ein »Credo« ausspricht, ein sehr fragiles, welches seine Zweifel verdeutlicht. Im Dialog mit Jago im zweiten Akt widerspricht er sich selbst: »Ich glaube Desdemona ist ehrlich, ich glaube sie ist es nicht. Dich (Jago) glaube ich ehrlich und heuchlerisch glaube ich dich«. Otello weiß nicht mehr, an wen oder wem er glauben soll. Das erinnert uns eine Grundfrage des Lebens überhaupt: Woran glauben wir wirklich?