Klischees gehören parodiert!

Schubladen auf für Mel Brooks »The Producers« und unsere Vorurteile
Inken Meents | Mittwoch 25.10.2023

In wie vielen Schubladen denken Sie? Erwischen Sie sich ab und an dabei, über Menschen zu schnell zu urteilen? Da sind Sie nicht allein! Das ist sehr menschlich, denn wir lieben unsere Ordnung und brauchen Strukturen, um uns zu orientieren. Doch Achtung: Obwohl wir Schubladen wieder öffnen und unseren Geist immer wieder weiten können, laufen wir manchmal Gefahr, auf unserer Meinung zu beharren, in unserer Komfortzone zu bleiben und damit Vorurteile zu schüren oder aufrechtzuerhalten. Et voilà: die Geburtsstunde von Klischees. Denn ein Klischee ist so ein festgefahrenes, oft einfach unbedacht übernommenes, oberflächliches Denkmuster. Oder wie es der Journalist Walter Lippmann 1922 schrieb:

 »Meistens schauen wir nicht erst und definieren dann, wir definieren erst und schauen dann.«

Mit dem moralischen Zeigefinger? Besser nicht. Denn mit womöglich unglücklich formulierter Kritik stoßen wir uns alle regelmäßig vor den Kopf, fühlen uns angegriffen und wollen dann erst recht nicht dem Gegenüber Zugeständnisse machen, denn Fehler oder Fehleinschätzungen zuzugeben ist schwer. Versöhnlichere Lösungen wären also ein konstruktives Gespräch oder: eine Parodie – die humoristisch überspitzte Darstellung eines Klischees und gleichzeitige Dechiffrierung eines Vorurteils.

»Die Parodie ist die umgekehrte Machtergreifung.«

Dieses Zitat stammt von Mel Brooks, der ein wahrer Meister der Parodie ist. Nichts war vor ihm sicher: Genres aus den Bereichen Horror, Western oder Science-Fiction und weltbekannte Figuren wie Frankenstein, Dracula oder Robin Hood wurden von ihm durch den Kakao gezogen. Seine Werke zählen zu den besten Komödien der Welt.

Auch in Brooks’ Film und Musical »The Producers« wendet er seine parodistischen Fähigkeiten an: Nicht nur Hitler steht im Fokus, sondern vor allem der Show-Business-Betrieb, von dem er schließlich selbst ein Teil ist – Stichwort: über sich selbst lachen. Direkt nachdem er mit der Comedy-Fernsehserie »Get Smart« erste Erfolge landete und es sich somit leisten konnte, wollte er ein Stück über die Branche, vor allem den Broadway schreiben, so erzählt er in seiner Autobiographie. Gesagt, getan. Zunächst konzipierte er das Stück für den Broadway, erhielt dann aber den Rat, es zu einem Film auszuarbeiten und schrieb nicht nur das Drehbuch innerhalb von 9 Monaten, sondern wurde auch noch Regisseur des Films, drehte nach Zeitplan und blieb im Budget.

Brooks nimmt in »The Producers« alles aufs Korn, was nicht bei drei auf dem (Requisiten)Baum ist: Männer, (junge und besonders alte) Frauen, Juden, Nazis, Deutsche, Schwule, Arbeitgeber und -nehmer und natürlich die Typen und Eigenarten der Show-Branche wie Produzenten, Darsteller und Darstellerinnen, künstlerische Teams und ihre Mitglieder, Abläufe oder den Theateraberglauben. Ein Bouquet an Provokation, aber mit Lachgarantie.

Dennoch: Die in der Parodie enthaltene Provokation kann natürlich Menschen auch auf dem falschen Fuß erwischen. Gerade, wenn da noch eine Wunde ist oder etwas anderes dadurch »getriggert« wird. Theater soll und muss auch mal provozieren, um zu Diskussionen anzuregen. Das macht uns aus und ist sogar Teil unseres Bildungsauftrags – alles andere wäre Zensur oder Propaganda. Wir wollen aber keine Barrieren schaffen, sondern einen Kommunikationsraum eröffnen.