Der Mann, der uns die Opern »Zar und Zimmermann« und »Der Wildschütz« geschenkt hat, war vieles – Sänger, Schauspieler, Komponist, Librettist, Familienvater. Vor allem aber war der am 23. Oktober 1801 geborene Albert Lortzing ein glühender Theatermensch. Wer seinem Weg durch Leipzig folgt, spürt bis heute: Hier hat er gelebt und gebrannt – für das Theater, für geistreiche Musik, für die Freiheit des Wortes und für das Publikum, dem er »schöne Stunden« schenken wollte.
Ein Glücksfall für Leipzig
Am 3. November 1833 gab Lortzing sein Debüt am Leipziger Stadttheater – ein Glücksfall für die Stadt und für ihn. Im Ensemble unter Ringelhardt liebten sie den quicklebendigen Tenor, der in Nestroy-Komödien glänzte, improvisierte und damit sogar die Theaterpolizei auf den Plan rief. Aus dieser unmittelbaren Nähe zum Spiel erwuchs seine lebendige Opernkunst. Und aus Leipzig gingen seine großen Titel in die Welt: »Zar und Zimmermann« (UA 1837) und »Der Wildschütz« (UA 1842) – beide entstanden hier, beide für das Leipziger Publikum. 1844 berief man ihn zum Kapellmeister – ein Zeichen seines Ansehens.

Menschenfreund und Netzwerker
Lortzing war kein einsamer Tüftler, sondern mitten im bürgerlichen Leipzig vernetzt: mit Robert Blum, dem späteren 1848er-Revolutionär; im Leipziger Schiller-Verein, wo Lortzing Hymnen und Kantaten dirigierte und komponierte; in der geselligen Runde des »Tunnel über der Pleiße« im Hôtel de Pologne; und als Freimaurer (»Balduin zur Linde«), für deren Schwesterloge »Minerva zu den drei Palmen« er 1841 eine Jubel-Kantate schrieb. Kunst wurde so zum Schutzraum für Haltung in Zeiten strenger Zensur – selbst in Briefen blieb man vorsichtig: Man könne dem Papier nicht alles anvertrauen, »daß es schrecklich hier zu gieng«.
Auf der Bühne blieb er ein Menschenfreund. Seine Opern nehmen jene ernst, die in großen Opern gern übersehen werden: Handwerker und Fabrikarbeiter, selbstbewusste Frauen und ehrgeizige Künstler – Menschen mit Ecken, Kanten, Witz und Würde. Darin liegt bis heute der Zauber der deutschen Spieloper: Sie schmunzelt nicht über, sondern mit den Figuren. Dass das vermeintlich »leichte« Fach viel Anspruch und Handwerk verlangt, bewies Lortzing immer wieder.
»O! Entstände doch nur einmal eine Revolution beim Theater!«
Albert Lortzing
Zwischen Romantik und Revolution
Und er konnte auch anders: Mit »Undine« schuf er 1845 eine romantische Zauberoper – uraufgeführt in Magdeburg, nachdem es in Leipzig zu Konflikten gekommen war. 1848 – im Revolutionsjahr – entwarf er mit »Regina« eine Freiheitsoper, die streikende Arbeiter auf die Bühne brachte. Uraufgeführt wurde sie wegen ihrer Brisanz erst 1899 in Berlin, und selbst dort wurde sie noch zensiert.

Die Kehrseite des Erfolgs war bitter. Lortzing war zwar populär, starb aber 1851 in Berlin hochverschuldet – in einer Zeit, in der das Urheberrecht noch keine Tantiemen für Autoren und Komponisten vorsah. Seine Opern liefen »überall begeistert«, doch »ohne Autorenrechte« brachte das kaum Einkommen. Nach seinem Tod war Lortzings Familie auf Unterstützung angewiesen.
Dass seine Musik so leichtfüßig wirkt, hat also nichts mit bequemen Lebensumständen zu tun, sondern mit unbeirrbarer Lust am Theaterspiel. Er schrieb seine Libretti selbst, weil er die Sprache der Bühne kannte – und die Sprache des Volkes, denn er war ein beliebter und kontaktfreudiger Zeitgenosse. Als Mitglied geselliger und diskursfreudiger Kreise liebte er das Miteinander und hatte eine exzellente Beobachtungsgabe. Hier fanden seine lebendigen Opernfiguren ihren Ursprung. Lortzing brannte für das lebendige, atmende Theater und für Figuren aus Fleisch und Blut.
Lebendiges Erbe
Die Oper Leipzig bewahrt die Leidenschaft und Energie dieses Künstlers: Seit einigen Jahren kehren seine Werke hier verstärkt ins Repertoire zurück – in der Musikalischen Komödie und im Opernhaus. Im Frühjahr 2026 wird anlässlich von Lortzings 225. Geburtstag und 175. Todestag mit dem Festival »Lortzing 26« ein Komponist gefeiert, der Leipzigs Musik- und Theaterlandschaft bis heute prägt.
»Ich besitze die Liebe des Publikums in hohem Grade und hab außer dem Theater – leider – nur zu viele Bekanntschaften, indem die Sauferei hier beinahe zu arg ist. Ich bin beliebt, ergo wird man gesucht …«
Albert Lortzing an August Pichler über seine Zeit in Leipzig





