Aberwitzig, absurd und einmalig

»The Producers«: Produktionsgespräch zur ersten Premiere der neuen Spielzeit 23/24 in der Musikalischen Komödie
Tuesday 17.10.2023

Regisseur Dominik Wilgenbus, Kostümbildnerin Uschi Haug, Bühnenbildner Peter Engel und Choreograph Mirko Mahr im Gespräch mit den Produktionsdramaturginnen Emilia Ebert und Dr. Inken Meents.

Was ist das Besondere an Mel Brooks’ Humor?

Dominik Wilgenbus: Er fußt offenbar auf einer so breiten wie tiefen Kenntnis von Kultur und Geschichte. Noch seine schärfste Provokation entspringt dem Wissen um alles Menschliche und kämpft für Menschlichkeit. Sein Humor ist direkt und schlagend, seine Pointen auf den Punkt, seine Musik alles von elegant bis rasant.

Wie nähert man sich dem Stück inszenatorisch? Was ist wichtig?

Dominik Wilgenbus: Die Regie soll es (sowieso, aber hier erst recht) nicht besser wissen wollen als der Autor, der seinen Willen ja präzise notiert hat. Sie soll die An- und Absichten von Mel Brooks zum Inhaltlichen wie zum Handwerk und Entertainment teilen und umsetzen, nicht kommentieren.

Kostüme und Bühnenbild sind durch Mel Brooks’ Verfilmung und genaue Regieanweisungen teils schon genau vorgegeben. Wie geht ihr mit nationalsozialistischen Zeichen oder Bildern um?

Uschi Haug: Mel Brooks’ Verfilmung ist sehr genial … Das Stück braucht genau diese Kostüme, auch in der Originalzeit damit es funktioniert. Da es aber ganz exklusive Maßanfertigungen von Anzügen, Smokings, Teekleider oder auch das Abendkleid für Ulla sind, gearbeitet in den Werkstätten der Oper Leipzig, habe ich die Freiheit, individuelle Modelle aus dieser Zeit zu entwerfen. Da die Figur des Franz Liebkind das satirische Zerrbild eines echten Neonazis ist, verlangt Mel Brooks in der Szene mit ihm Armbinden mit originalen Hakenkreuzen. In der Show »Frühling für Hitler« sind alle nationalsozialistischen Symbole dann nach dem »Geschmack« des Ausstattungsteams mit Pailletten und Strasssteinen gestaltet so, wie Roger De Bris es in »Mach es gay« in einem Anfall von Genialität erfindet.

Peter Engel: Ja, die Szenenfolge ist präzise vorgegeben. Und auch die Gegenüberstellung vom sichtbaren Hakenkreuz auf der Bühne zum im Halse steckenbleibenden Lachen ist unabdingbar. Darüber hinaus ist die ästhetische Gestaltung aber frei. Bei unserer Konzeption geht es mitunter sehr comichaft und fragmentarisch zu. Was mich bei dem Stück auch beeindruckt: Neben der großen Parodie wird mit dem Stück quasi nebenbei der Kunstbegriff als solches verhandelt. Kunst ist nicht berechenbar und scheitert, wenn man glaubt, die Rezeption der Betrachtenden voraussehen zu können.

Merkt man an bestimmten Stellen, dass das Stück ursprünglich ein Film war und erst später umgearbeitet wurde?

Dominik Wilgenbus: Nicht den Dialogen oder szenischen Erfindungen merkt man das an, sondern den Übergängen: Ein Umbau auf der Bühne kann naturgemäß nicht so schnell sein wie ein Schnitt im Film. Allerdings gibt es durchaus fortschrittlichere Bühnenlösungen als die amerikanischen konventionellen, die hier sogar einige Zwischenmusiken überflüssig machen und uns dem Furioso der filmischen Erzählweise denkbar nahebringen.

Mirko Mahr: Wenn ein erfolgreicher Film als Musicalversion neu kreiert wird, ist es normal, dass Szenen umgearbeitet werden und Musiknummern neu hinzukommen. So gesehen, merkt man es natürlich!

Peter Engel: Aber natürlich! Das Stück ist für die Bühne ein absoluter Alptraum: Schnelle Schnitte – Zack: im Büro – Zack: im Park – Dann noch ein Stück im Stück … und doch ist es ein großer Reiz, das Ganze in einen Fluss zu bekommen.

Darf man über Hitler lachen?

Dominik Wilgenbus: Über viele Charakterzüge und Verhaltensweisen der Person Hitler (wie über die unzähligen historischen und gegenwärtigen Machtmenschen) darf man lachen, über fast alle Folgen seines Tuns nicht, will man sich nicht dem berechtigten Vorwurf der Gedankenlosigkeit, Geschmacklosigkeit oder gegebenenfalls von Stärkerem aussetzen.

Lachen ist ein Protestschrei gegen den Tod!

Mel Brooks

Welche Klischees werden im Stück bedient und wie? Ist das in Ordnung?

Dominik Wilgenbus: Kein im Showgeschäft relevantes Klischee wird ausgelassen. Bedient werden aber alle in Form satirischer Überhöhung in der Absicht, sie bzw. die Institution, die ihre Überwindung aus kommerziellen Gründen verfehlt oder gar hintertreibt, an den Pranger zu stellen. Mel Brooks hält das nicht nur für in Ordnung, sondern für notwendig, und ich schließe mich ihm an.

Inwiefern ist das Stück heute noch aktuell oder zeitlos?

Dominik Wilgenbus: Die »Producers« sind zeitlos, weil sie vom Konflikt zwischen unserem Bedürfnis nach harmonischer Gemeinsamkeit handeln, das seinen stärksten Ausdruck in künstlerischen Formen findet, und Phänomenen wie Egoismus und Gier, die uns den Weg zum schönen Ziel versperren.

Was macht für dich ein »miesestes Stück aller Zeiten« aus?

Dominik Wilgenbus: Die Steilvorlage nutzend: eines, das es schafft, sich dem Von-mir-inszeniert-werden zu entziehen. Im Ernst: eines, dem die dringende (und sei es nur von der Autorin oder dem Autor empfundene) Notwendigkeit fehlt.

Mirko Mahr: Ich glaube, dass dies einzig und allein im Auge der Betrachtenden liegt … und das ist auch gut so! Wie man schlussendlich in »The Producers« sehen kann, wird aus einem vermeintlich sicheren Flop ein riesiger Erfolg!

Uschi Haug: Das mieseste Stück ist für mich ein Stück, das mich überhaupt nicht berührt. Wenn einfach nix »rüberkommt« von dem, was auf der Bühne passiert …

Peter Engel: Das mieseste Stück aller Zeiten wird vermutlich gerade von den neuen Rechten geschrieben.