

Junge Oper Leipzig
Oper
Patrick Bialdyga spricht über »Oper Intensiv – Die Booster Edition«.
Freitag 05.11.2021Vom 25. Oktober bis zum 6. November 2021 veranstaltet die Oper Leipzig gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« zum ersten Mal das Programm »Oper Intensiv – Die Booster Edition«. In einem Zeitraum von zwei Wochen haben Gesangsstudierende die Möglichkeit, Praxisluft zu schnuppern und den Alltag in einem Opernbetrieb kennenzulernen. Am Ende des zweiwöchigen Programms findet ein Abschlusskonzert statt, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Gelernte präsentieren können. Patrick Bialdyga, Künstlerischer Produktionsleiter an der Oper Leipzig, unterrichtet die Studierenden in Szenischer Arbeit und spricht über seine Erfahrungen als Dozent.
»In dem Programm ›Oper Intensiv‹ erhalten die jungen Sängerinnen und Sänger in knapp zwei Wochen einen intensiven Einblick in verschiedene Abteilungen der Oper. Sie lernen beispielsweise von unserem Personalchef Dittmar Demel etwas über Theaterrecht, haben musikalische Proben beim Studienleiter Ugo d’Orazio, Auftrittstraining bei der Operndirektorin Franziska Severin und Körpertraining bei Kollegen vom Leipziger Ballett. Sie erfahren von Agenturen, was bei einem Vorsingen wichtig ist. Sie bekommen also direkt von den Profis, die mitten im Arbeitsleben stehen, ein intensives Programm und geballte Informationen.
Nun am Ende dieser intensiven Reise, die wir gemeinsam vor zwei Wochen begonnen haben, würde ich diese eigentlich gerne fortsetzen. Ich beobachte eine größere Selbstständigkeit bei den Studierenden. Ich habe ihnen oft gesagt, dass sie nicht zu sehr auf mich als Regisseur achten, sondern die Musik aus sich heraus entwickeln sollen. Sie haben gelernt, dass sie die Taktgeber der Musik sind und nicht umgekehrt. Vielleicht hat sich durch die Zeit bei ihnen ein Fantasie-Fenster geöffnet und sie gehen souveräner und offener an eine Szene heran. Auch ich habe eine Entwicklung durchgemacht und habe gelernt, wie ich die Sängerinnen und Sänger besser einschätzen und fordern kann. Es war eine schöne und interessante Erfahrung, so intensiv mit den jungen Künstlerinnen und Künstlern zusammenzuarbeiten.«
»Ich unterrichte die Studierenden in Szenischer Arbeit. Wir bearbeiten Arien, Ensembles, Duette und Terzette aus dem klassischen Repertoire und versuchen dabei, losgelöst vom Kontext des restlichen Stücks eine Geschichte zu erzählen und die Szenen zu einem Bogen zu verbinden, sodass einerseits ein spannendes Programm für das Abschlusskonzert entsteht und andererseits die Nummern logisch aufeinander aufbauen. Dazu haben wir uns einige Fragen gestellt: Wer sind die Figuren sind und was wollen sie? Welche Emotionen haben sie? Was wird in der Szene verhandelt? Wie vermittelt man dem Publikum mit Gesang und Körpersprache, was man erzählen möchte?
Als Opernsänger oder Opernsängerin erzählt man Geschichten mit dem ganzen Panoptikum menschlicher Gefühle. Wenn wir uns als Publikum davon verführen lassen wollen, muss diese Geschichte glaubwürdig und nachvollziehbar erzählt werden. Die szenische Arbeit ist dafür sehr wichtig. Hier ist das Werkzeug Körper gefordert und nicht nur die stimmtechnische Kunstfertigkeit. Für den musikalischen Vortrag bietet die Szene den Rahmen, denn es soll ja so scheinen, als würde ein Charakter auf der Bühne aus seiner Stimmung heraus in diesem Moment die Musik erfinden. Natürlich ist das auch immer abhängig vom Regiekonzept, in dem der Sänger oder die Sängerin sich mehr oder weniger frei entfalten darf. Die szenische Arbeit ist jedoch immer die Voraussetzung, um sich später in verschiedene szenische Konzepte integrieren zu können.«
»An der Arbeit mit jungen Sängerinnen und Sängern gefällt mir besonders, dass sie noch ›unfertig‹ sind. Ich finde es schön, sie aus ihrer Schüchternheit herauszulocken, sodass sie sich am Ende etwas trauen, was sie sich am Anfang noch nicht vorstellen konnten und so ihr ganzes Potenzial entfalten. Oft sind sie dabei noch flexibler als erfahrene Sängerinnen und Sänger und lassen sich auf Neues ein. Dieser Prozess des gemeinsamen Entdeckens ist zwar anstrengend, aber auch sehr erfüllend für mich.
Jungen Sängerinnen und Sängern würde ich raten, jede Chance wie zum Beispiel ein Vorsingen zu nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass man wirklich für die Sache brennt. Vorher sollte man jedoch ganz genau überprüfen, ob man den Beruf wirklich ausüben möchte. Denn Opernsänger zu sein, erfordert einen langen Atem, starke Nerven und körperliche Ausdauer. Da die wenigsten große Stars werden, sollte man Freude am täglichen Proben und am Alltagsgeschäft in einem Repertoirebetrieb haben. Darüber hinaus würde ich jeder jungen Sängerin und jedem jungen Sänger raten, sich regelmäßig Rat und Hilfe bei Expertinnen und Experten zu suchen, um sich weiterzuentwickeln und außerdem auch immer wieder künstlerisch über den Tellerrand zu blicken.«
Geboren in Krefeld. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Pädagogik in Bonn. 1996-2004 Regieassistent und Abendspielleiter am Theater Dortmund. Erste eigene Regiearbeiten am Theater Dortmund, am Theater Erfurt, bei den Opernfestspielen in Heidenheim, am Landestheater Neustrelitz, an der Neuköllner Oper in Berlin, der BeSeTo-Opera in Seoul und in Kwangju (Südkorea) u.a. mit »La Bohéme«, »L’elisir d’amore«, »Idomeneo«, »Don Giovanni«, »Die Zauberflöte«, »Der Postillon von Lonjumeau«, »Der Zauberer von Oz«, »La voix humaine« und »Das Tagebuch der Anne Frank«. 2007-12 Produktions- und Kursleiter der Jungen Oper Schloss weikersheim, des »Internationalen Opernkurses« der Jeunesses Musicales Deutschland. 2010-14 Künstlerischer Leiter des Europäischen Gesangswettbewerbs DEBUT. An der Oper Leipzig seit der Spielzeit 2012/13 Künstlerischer Produktionsleiter. Inszenierung von »Trouble in Tahiti« im Spiegelzelt, des Chorprojekts »Über.Leben!« und »Lohengrin (Gekürzte Fassung)«.